Kundgebung zum Tag der Menschenrechte: „seit ich den Urquell des Lebens erkannt und den Weg des Menschenrechts gehe“
Wie jeder Mensch hatte die Regensburgerin Elly Maldaque Rechte, auf Leben, Nicht-Diskriminierung, Rechtsbehelf, ordentliches Verfahren, Achtung des Privatlebens, Unverletzlichkeit der Wohnung, Bewegungsfreiheit, weltanschauliche Freiheit, Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Berufsausübung und soziale Sicherung. Eine Schädigung in einigen der genannten Bereiche lässt fragen, inwieweit diese Rechte geachtet wurden. Erfolgt ist diese Schädigung im Zusammenhang mit ihrer Befürwortung eines „Weg[s] des Menschenrechts”, wie sie ihn im Tagebucheintrag für den 9.10.1928 nennt. Dem Bund für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg war das zweifach Grund, eine Veranstaltung zum jährlichen Menschenrechtstag am 10.12. ihrem Andenken zu widmen und weitere Schritte hin auf eine Statue von ihr in der Innenstadt zu unternehmen. Diese soll anstelle des Denkmals Don Juans d'Austria aufgestellt werden. Stellvertretend wurde ein Bild in Lebensgröße platziert, letzterer wurde verhüllt.
Begegnungen mit Menschen in prekären Wohnsituationen haben die Volksschullehrerin Maldaque Ende der 1920er Jahre aufgeschlossen gemacht für kommunistische Inhalte. Eine davon nicht beeinflusste Unterrichtsgestaltung bescheinigte ihr eine Elternversammlung aus 33 Personen einstimmig. Begründet mit einer kommunistischen und freidenkerischen Haltung sowie einem Status eines „wirkende[n] Mitglied[s]” der KPD wurde ihr jedoch eine Entlassung mit Wirkung zum 1.7.1930 mitgeteilt. Maldaque kündigte daraufhin eine Beschwerde an und übergab ihr Tagebuch. Einschlägige Information war verdeckt gewonnen worden, eine Mitgliedschaft im eigentlichen Sinn lag nicht vor.
Der zutreffende Eindruck überwacht zu werden befasste sie in den Tagen danach. In einer Kanzlei beschädigte sie beim Zuziehen einen Vorhang. Rund zwei Wochen nach Zustellung des Entlassungsschreibens wurde im Anschluss auf eine Mitteilung des Vaters und der Lehrerin Betty Krebs hin eine Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Kartaus-Prüll eingeleitet, die dann unter Nennung von Verfolgungsgedanken und eines Herunterreißens von Vorhängen sowie gegen ihren ausdrücklichen Willen veranlasst wurde. Die Verbringung und Aufnahme in die Abteilung für schwerste Fälle fanden am 9.7. statt, wobei sie körperlich Widerstand leistete. Am 12. wurde sie erstmals zwangsernährt und in der Beweglichkeit eingeschränkt, verabreicht wurden Fingerhut-Glycoside („Digalen”) und Scopolamin („Skopol.”). Am 20. verstarb sie. Das Obduktionsergebnis der Klinik vom selben Tag lautet Lungenentzündung und Herzschwäche, das der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie später psychosomatische Schädigung des Kreislaufsystems.
Relevant erscheinen viele Einzelheiten. Warum unterblieben Ermahnungen oder Disziplinarmaßnahmen im Vorfeld, die angesichts von Kooperationsbereitschaft, wie sie aus einem Fernbleiben von Musikveranstaltungen nach einem informellen Gespräch mit einem Schulrat spricht, eine Entlassung womöglich vermieden hätten? Wurde die liberale Regelung des Artikels 130 der Weimarer Verfassung zu Parteimitgliedschaften, wobei eine solche hier nicht bestand, angemessen berücksichtigt? Weshalb gehen das Gutachten für die Einweisung und die Krankenakte nicht auf ihre klare, geordnete und ausführliche Stellungnahme vom 1.7. zur Entlassung ein und ebenso wenig auf die tatsächliche Überwachung? Woher rühren mit einem Mal tödliche körperliche Beschwerden, nachdem der Schuldienst über ein Jahrzehnt ohne bekannte Beeinträchtigungen geleistet wurde und darüber hinaus die freie Zeit im großen Umfang genutzt wurde?
Der Erinnerungsarbeit, wie sie etwa der namhafte Dramenautor Ödön von Horváth mit seiner „Lehrerin von Regensburg” auf den Weg brachte, lange angenommen hat sich Kurt Raster mit seinem ueTheater. In seiner unten dokumentierten Rede zu Beweggründen und Hintergründen beschrieb er auch Gegnerschaft dabei. Ein einleitendes Grußwort für den bfg Regensburg als Mitveranstalter neben Recht auf Stadt und ueTheater sprach der Vorsitzende Erwin Schmid. Er schlug den Bogen zur türkisch-deutschen Völkerverständigung und einer Unterbindung von Kriegsverherrlichung, welchen die Entfernung des Militaristen Don Juan d'Austria dienen würde. Grundgesetz und Menschenrechtserklärung lagen aus.
„seit ich den Urquell des Lebens erkannt und den Weg des Menschenrechts gehe“
Widerlicher Opportunismus und scheinheiliges Unterstützertum
Hallo, ich bin der Kurt vom Bund für Geistesfreiheit und von dem freien Theaterensemble ueTheater.
Ich weiß noch gut, wie mir der Name Elly Maldaque zum ersten Mal begegnete. Ich arbeitete damals im Studentenwerk Niederbayern / Oberpfalz an der Uni. Dort gab es ein Theaterhaus, das drittgrößte in Regensburg. Aber weil es im Grunde keinen Namen hatte, wurde es in der Öffentlichkeit als eigenständige Einrichtung kaum wahrgenommen. Ich war auf der Suche nach einem eindeutigen Namen dafür und überlegte, es nach einer Regensburger Künstler*innenpersönlichkeit zu benennen, die ein Opfer der Nazis geworden war.
In dem Buch von Wilhelm Kick „Sag es unseren Kindern“ über den Widerstand in Regensburg las ich zum ersten Mal den Namen Elly Maldaque. Ich war erstaunt, dass sogar einer der berühmtesten und meistgespielten deutschsprachigen Theaterautoren Ödön von Horváth ein Stück über Elly Maldaque geschrieben hatte. Und fast erschüttert war ich darüber, dass ich bisher nichts von der Frau gehört hatte, einer Lehrerin an der Volksschule Von-der-Tann, deren Tod 1930 die Bayerische Volkspartei, Vorgängerpartei der CSU, in Zusammenarbeit mit Nazispitzeln und der Politischen Polizei, der damalige Verfassungsschutz, zu verantworten hatte. Auch der katholischen Kirche war die Freidenkerin ein Dorn im Auge.
Ich unterbreitete den Vorschlag den studentischen Theatergruppen an der Uni, die das Theaterhaus bespielten. Und was soll ich sagen, alle Gruppenvertreter*innen waren begeistert. Es kam sogar der Vorschlag, in einem von den Theatergruppen gemeinsam erarbeiteten Theaterstück die Benennung nach der Lehrerin, über die Horváth geschrieben hatte, zu feiern.
Es kam jedoch anders. Ich fiel beim Studentenwerk in Ungnade und wurde aus dem Öffentlichen Dienst hinausgemobbt. Trotzdem blieb ich dem Studentenwerk mit meinem freien, studentischen Theaterensemble „ueTheater“ erhalten. Mit diesem reichte ich 2007 den Vorschlag ein, das Theaterhaus „Elly Maldaque Theater“ bzw. „Elly Maldaque Theater an der Uni“ zu nennen. Der Vorschlag wurde übrigens von zahlreichen namhaften Regensburger Persönlichkeiten unterstützt, von der ehemaligen Oberbürgermeisterin Christa Meier bis hin zum DGB-Vorsitzenden Willi Dürr, von Theaterautor und -regisseur Joseph Berlinger bis hin zur Kinoinstanz Dr. Medard Kammermeier, von allen Fraktionsvorsitzenden im damaligen Stadtrat – außer der CSU – bis hin zum Freundeskreis Israel, von Dieter Weber, damaliger Leiter des Evangelischen Bildungswerks bis zu Max Hutzler, Sprecher der katholischen Friedensbewegung, von den Sozialen Initiativen bis hin zum Sprecher*innenrat an der Uni.
Wer aber nicht unterschrieben hatte, waren die studentischen Theatergruppen. Keine einzige, die doch vorher so enthusiastisch dafür waren.
Ich habe diese Anfangsgeschichte etwas ausführlicher erzählt, weil sie symptomatisch ist für das Gedenken bzw. Nichtgedenken an Elly Maldaque. Es ist die Geschichte von widerlichem Opportunismus und scheinheiligem Unterstützertum. Die gleichen, die „selbstverständlich“ für die Erinnerung an Elly Maldaque sind, sind plötzlich strikt dagegen, wenn in der Hierarchie Obenstehende, also meist Menschen aus der CSU und kirchennahen Kreisen, etwas dagegen haben oder sie in verantwortlicher Position das Gedenken umsetzen könnten.
Die jetzige Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer (SPD) beispielsweise hat damals auch für ein „Elly Maldaque Theater an der Uni“ unterschrieben. Als das ueTheater wegen seines Engagements für Elly Maldaque aus der Uni geschmissen wurde, kam von ihr kein Wort. Sie positionierte sich im Stadtrat sogar offen gegen den Antrag, die nach dem Antisemiten, Bauernschlächter, Frauenfeind usw. benannte D.-Martin-Luther-Straße in Elly-Maldaque-Straße umzubenennen. Ja, sie und die SPD haben es in nicht einmal geschafft, die nach dem Nazi Hans Herrmann benannte Schule nach der Regensburger Lehrerin zu benennen. Und dies, obwohl in einer Online-Umfrage der Schule fast doppelt soviel für Elly Maldaque stimmten als für den zweitplazierten Namen. Die Namensgebung wurde ausgerechnet der Lehrer*innenschaft überlassen, die sich jahrelang gesträubt hatte, den Nazi-Namen zu ändern. Bravo SPD!
Vorbild für eine bessere Gesellschaft
Zum Glück hat Elly Maldaque mit diesen Opportunist*innen nichts gemein. Sie ist nie, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Kreuze gekrochen, sondern hat ihre auf den Menschenrechten basierte Selbstbildung bis zuletzt bewahrt. Dieser Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, macht sie zu einem Vorbild für eine bessere Gesellschaft.
Und was macht Don Juan zum Vorbild? Er ist das Resultat einer Vergewaltigung, denn jeder auf körperlicher, politischer oder ökonomischer Macht beruhende Geschlechtsverkehr ist Gewalt. Das Kleinkind wurde seiner Mutter entrissen, offensichtlich hielt der Vergewaltiger Karl der V. die Mutter Barbara Blomberg nicht für würdig. Der kaum erwachsene Don Juan steht hinter uns, von mehreren Metern auf uns herabsehend, mit einem Fuß auf einem abgeschlagenen Kopf. Das ist die Message, die von diesem Schandmal ausgeht: Macht, Oben und Unten, Erniedrigung und die klare Aussage: Probleme werden am besten durch Kopfabschlagen gelöst. Am besten durch Krieg und Aufrüstung. Super!
Nein, wir fordern ein Denkmal, dass nicht für Mord und Totschlag steht, sondern für Menschenliebe und Menschenrechte. Elly Maldque soll hier, anstelle von Kopf-ab-Don-Juan, mitten unter uns stehen und uns anlächeln.
Ich möchte am Schluss Elly Maldaque selbst das Wort geben. Und wir wissen, bei Elly Maldaque waren es nicht nur Worte, sondern sie lebte danach. Aus ihrem Tagebuch:
Nun fällt mir alles leicht und alles versteht sich von selbst und alle Kräfte stellen sich ein, seit ich den Urquell des Lebens erkannt habe und den Weg des Menschenrechts gehe. (…) Der Weisheit letzter Schluss ist die Milde und die unversiegbare Liebe.